Sabine Böhm ist pensionierte Lehrerin und seit Februar 2013 als BuchPatin an der Erich-Kästner-Schule in Kessenich ehrenamtlich tätig. Sie betreut im Moment ein 9-jähriges Kind aus einer chinesischen Familie und ein 8-jähriges Kind aus einer spanischen Familie. Außerdem übernimmt sie mit einem Buchpatenkollegen die Koordination zwischen den BuchPaten*innen und der Schule für den Verein.
1.Wie sind Sie auf den Verein aufmerksam geworden? Warum haben Sie sich für Kultur verbindet e.V. entschieden?
- Bevor ich im Jahr 2011 pensioniert wurde, habe ich mich bereits im Voraus nach den Möglichkeiten einer Ehrenamtstätigkeit erkundigt. Ich wollte entweder an einem sozialen Projekt oder in einem Verein ehrenamtlich mitarbeiten. Der Schwerpunkt der Arbeit sollte auch in schulischer Erziehung von Kindern liegen, weil ich als Lehrerin langjährige Kenntnisse und Erfahrungen in diesem Bereich hatte. So stieß ich auf einen Zeitungsartikel im Generalanzeiger über den Verein und speziell über das Leseprojekt „Meine erste Bibliothek“. Das hat mich als begeisterte Leserin sofort angesprochen. Des Weiteren erachte ich es für sehr sinnvoll, mich für Kinder einzusetzen, die aus bildungsfernen Familien mit Migrationshintergrund kommen.
Als ich dann pensioniert war, habe ich mich an den Verein gewandt. Frau Cetinkaya (Anm. der Redaktion: Vorstandvorsitzende von Kultur verbindet e.V.) war meine Ansprechpartnerin. Sie hat immer sehr begeistert bei unseren Treffen über die Vereinsarbeit erzählt. Im Februar 2013 habe ich dann mit meiner ersten BuchPatenschaft mit einem Grundschulkind der 1. Klasse angefangen. Es hat von Anfang an sehr viel Spaß gemacht!
2. Was gefällt Ihnen besonders gut an der Vereinsarbeit? Wo sehen Sie Ihre persönliche Herausforderung in der Arbeit mit den Kindern mit Migrationshintergrund?
- Es ist mir sehr wichtig, auf die Unterschiedlichkeit der Kinder einzugehen. Ich habe zwei Patenkinder im Moment, von denen eins mehr naturwissenschaftlich und das andere mehr künstlerisch veranlagt ist. Die beiden sind sehr unterschiedlich! Während das eine Patenkind sehr selbstbewusst ist und auch schon sehr gut lesen kann, ist das andere Patenkind sehr schüchtern und das Lesen geht noch etwas mühsam. Bei der Bücherwahl muss man besonders gut darauf achten, dem Kind mit dem ausgewählten Buch gerecht zu werden. Manchmal hält sich die Begeisterung auch in Grenzen, wenn es mit dem Lesen nicht so gut klappt. Diesen unterschiedlichen Voraussetzungen gerecht zu werden, ist nicht immer einfach. Das ist meine persönliche Herausforderung!
Der Verein Kultur verbindet e.V. versucht seine BuchPaten*innen zu unterstützen, in dem bei den Kulturangeboten verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden. Für die Kinder, die eher Spaß an Unternehmungen haben, bietet sich der Besuch des Naturkundemuseums mit Experimenten und Workshops an. Für die kreativen Kinder passen Theaterbesuche und Malereien am besten. Deshalb lassen sich solche Aktivitäten mit meinen beiden Patenkindern sehr gut gestalten, weil die persönlichen Vorlieben der Kinder dabei berücksichtigt werden.
3. Haben Sie durch die Arbeit gemerkt, dass ihre Sichtweise sich bezugnehmend auf Zuwanderung/Migration/Integration verändert hat?
- Durch meine frühere Tätigkeit wurde ich bereits mehrfach mit dieser Problematik konfrontiert. Ich habe schon gemerkt, wie wichtig derartige Hilfestellung im außerschulischen Bereich ist und wie unterschiedlich sie von den Eltern angenommen wird. Es geht nicht nur um das Lesen, sondern auch um die außerschulischen Veranstaltungen.
Manche Eltern sind sehr offen und glücklich über das Angebot des Vereins. Für andere Eltern war das ein zu großer Eingriff in die Familie, in die persönliche Erziehung ihres Kindes. Die Veranstaltungen des Vereins sind in der Regel an den Wochenendtagen, an denen manche Kinder bspw. zum Arabischunterricht oder zu einem anderen Sprachunterricht gehen. Es ist verständlich und nachvollziehbar, dass die Eltern ihre Kultur und Sprache beibehalten möchten. Aber viele BuchPaten*innen wünschen sich mehr Mitwirkung von den Eltern bei der Integration ihrer Kinder.
4. Was war das schönste Erlebnis in Ihrer Ehrenamtsarbeit?
- Ich habe meinen Beruf wirklich bis zum letzten Tag sehr gerne ausgeübt. Ich gehe immer noch sehr gerne in die Schule, um die 10 min Pause mitzuerleben, weil ich es sehr schön finde, wenn die Kinder ihren BuchPaten auf dem Schulhof entdecken und fröhlich angelaufen kommen. Es sind unbeschreibliche Emotionen! Ich erlebe das immer wieder und das bereitet mir sehr viel Freude. Zurzeit sind solche Begegnungen leider wegen Corona-Einschränkungen nicht möglich.
5. Wie gestaltet sich Ihre Patenschaft/ Ehrenamtsarbeit unter den Coronabedingungen? Können Sie sich vorstellen, dass der Einsatz von digitalen Medien Ihnen dabei helfen kann?
- Im Moment passiert gar nichts! Das finde ich total schade! Es darf an Schulen nicht mehr gelesen werden, die Kulturveranstaltungen können nicht stattfinden. Ich habe meine Patenkinder seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen. Am Anfang stand ich mit den Kindern in schriftlichem Kontakt per Email. Ich habe immer wieder Rätselhefte oder ausgeschnittenen Rätsel aus der Zeitung per Post zugeschickt, die auch gelöst zurückkamen. Ich habe bzw. wir alle haben versucht, den Kontakt zu den Kindern zu halten. Das ist natürlich nicht mit einer persönlichen Begegnung vergleichbar!
Ich bevorzuge keinen Einsatz von digitalen Medien in der Patenschaft, weil die Kinder oft eine persönliche Ansprache und Kontakt brauchen. Außerdem habe ich selber noch keine Erfahrung und müsste mich damit intensiv beschäftigen. In meinem Alter ist das für mich eine große Herausforderung, die ich mir nicht unbedingt antun möchte.
6. Haben Sie ein bestimmtes Lebensmotto, das Sie jeden Tag motiviert?
- „Spuren hinterlassen!“ - das war mein Motto während meiner Dienstzeit. Die Kinder erinnern sich später sicherlich daran (im positiven Sinne). Ich glaube schon, dass die BuchPaten eine gewisse Rolle im Leben der Kinder spielen. In meinen 8 Jahren der ehrenamtlichen Tätigkeit bei Kultur verbindet e.V. habe ich 5 Patenkinder betreut. Teilweise betrachtet man sie wie eigene Enkelkinder. Auch wenn die Kinder später zur weiterführenden Schule wechseln, bestellt man sich gegenseitig liebe Grüße durch die kleineren Geschwister, die man hin und wieder in der Schule trifft. Ich fühle mich sehr wohl bei meiner Ehrenamtsarbeit und das ist das Mitentscheidende für mich, warum ich mich für Kultur verbindet e.V. engagiere!