Dieter Schäferbarthold ist Vorstandsmitglied und hat den Verein „Kultur verbindet e.V.“ im September 2008 mitbegründet. Außerdem engagiert er sich als BuchPate an der Andreasschule, unterstützt den Verein als zugelassener Rechtsanwalt in rechtlichen Angelegenheiten und repräsentiert ihn mit den anderen Vorstandsmitgliedern nach außen.
1. Wie ist Kultur verbindet e.V. entstanden? Welche Beweggründe hatten die Mitbegründer*innen im Jahr 2008?
-In einem persönlichen Gespräch fragte ich Hülya (Anm. der Redaktion: Dr. Hülya Truong – Mitbegründerin von Kultur verbindet e.V.), die ich seit ihrer Kindheit kannte und deren Eltern in den 60er Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen waren, wie sie den Übergang von der Grundschule zum Abitur geschafft hat. Sie erzählte mir über ihre Erfahrungen in der Grundschule und von einer Nachhilfe nach dem Schulunterricht durch den SPD Ortsverein in Bad Godesberg. Diese Unterstützung eröffnete ihr später die Möglichkeit, Medizin zu studieren. Sie arbeitet jetzt als Ärztin. Sie möchte ihrerseits etwas an die Kinder zurückgeben, die wie sie aus der gleichen Situation kommen. Hülya hat ihre Freundin Arzu Çetinkaya dazu geholt und ich habe die Idee mit weiteren Bekannten wie z.B. Dr. Schulte, einem späteren Mitbegründer, diskutiert. Er machte den Vorschlag für unseren Vereinsnamen “Kultur verbindet“. Unser Hauptaugenmerk sollte bei den Kindern im Alter zwischen 6 und 12 Jahren liegen. Wir wollten uns aber nicht nur auf eine sog. “Nachhilfe“ beschränken, sondern die Kinder mit vielen anderen kulturellen Aktivitäten vertraut machen. Im Herbst 2008 war es so weit: der Verein „Kultur verbindet e.V.“ wurde gegründet und in das Vereinsregister eingetragen.
2. Mit welchen Schwierigkeiten waren die Vereinsgründer bei der Konzeptumsetzung konfrontiert worden?
- Wir haben zunächst geglaubt, die Eltern mit ihren Kindern direkt zu erreichen. Aber wir haben uns geirrt. Eltern kamen mit dem Begriff "Kultur" nicht zurecht. In einigen Sprachen z.B. in Türkisch lässt sich das Wort auch nicht einfach übersetzen. Wir mussten neben dem schulischen Bereich den Kindern andere Bereiche der Kultur, (Museums-, Theater-, Konzertbesuche usw.) eröffnen. Integration durch Kulturverständnis - das war und ist unser Ziel! Es entstanden Kooperationen mit allen großen Museen in Bonn. Wir haben dann eine Zusammenarbeit mit Grundschulen gesucht. Mit unserem Projektvorschlag “Meine erste Bibliothek“ und der Verbindung zu den anderen kulturellen Aktivitäten stießen wir dort auf großes Interesse. An einem „reinen“ Leseprojekt war man nicht so interessiert. Deshalb achten wir auch immer darauf, dass wir in den Schulen als BuchPaten und nicht als LesePaten tätig sind. Zusätzlich zu den Kindern haben wir auch deren Eltern zu unseren Kulturveranstaltungen eingeladen, um den Eltern die praktischen Beispiele zu zeigen. Das war eine der größten Herausforderungen bei uns damals!
Am Anfang war es auch nicht einfach, eine längerfristige Förderfinanzierung für die Vereinsarbeit zu sichern. Die Förderorganisationen haben auf die bisherigen Aktivitäten des Vereins geschaut, die bis zur Antragsstellung geleistet wurden. In den ersten 5-6 Jahren hatte der Verein keine großen finanziellen Mittel, um seine Arbeit auszubauen. Der große Umbruch kam mit der Förderung von Aktion Mensch im Jahr 2016. Unser Projekt "Meine erste Bibliothek" wurde im Rahmen der Aktion Mensch Aktion auch im ZDF präsentiert. Es folgten weitere Auszeichnungen. Und wenn wir uns heute um eine Förderung bewerben, können wir auf die erfolgreiche Arbeit für die Kinder verweisen. Dadurch ist es im Vergleich zu damals etwas einfacher geworden.
3. Was motiviert Sie persönlich, sich für den Verein ehrenamtlich zu engagieren? Was ist Ihr schönstes Erlebnis in der Vereinsarbeit?
- Mich motiviert die Tatsache, dass wir den Kindern die Möglichkeit geben, die beste Ausbildung anzustreben, die sie erreichen können. Das versuche ich auch immer wieder bei den Versammlungen mit unseren BuchPaten*innen zum Ausdruck zu bringen. Ich freue mich zusammen mit den Kindern, wenn ich ihre Begeisterung bei den Lernerfolgen sehe. Mit einer guten Ausbildung ist auch in der Regel eine erfolgreiche Integration verbunden.
Letztes Jahr - kurz vor Weihnachten - erlebte ich so eine positive Geschichte. Ich habe ein Patenkind aus Afghanistan. Ihre Eltern konnten wegen des dortigen Krieges keine Schule besuchen. Wir haben Bücher über verschiedene Länder gelesen. Ich ging zum Markt in Bad Godesberg, dann rief mir plötzlich ein Mädchen zu, dass ihre Freundin (mein Patenkind) eine Note „Gut“ in Geografie bekommen hat. Sie war sehr stolz auf ihre Freundin. Das war eine schöne Überraschung! Ein anderes Patenkind, deren Familie aus dem Kosovo nach Deutschland gekommen ist, kam einmal mit einem Kinderbuch in ihrer Muttersprache zu mir und sagte, dass ich ihr das Buch vorlesen sollte. Ihren Wunsch konnte ich ihr leider nicht erfüllen. Sie wollte mir zeigen, dass es nicht so einfach ist, in einer anderen Sprache zu lesen.
4. Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Vereins? Wo sehen Sie den Verein in ein paar Jahren?
- Ich sehe nach wie vor die Grundschulkinder als wichtigste Zielgruppe um dort eine Hilfestellung zu geben, damit jedes Kind die möglichst beste Ausbildung anstrebt. Ich wünsche uns mehr so genannte „Verbindungslehrer“ in den Klassen, die genau über unsere Angebote Bescheid wissen. Bei unseren Angeboten müssen wir darauf achten, dass wir gemischte Gruppen bilden: Einheimische und Kinder aus zugewanderten Familien. Im Hinblick auf die Eltern möchten wir mehr über das deutsche Schulsystem und mögliche Förderungsmöglichkeiten im Hinblick auf einen höheren Bildungsabschluss beraten, sodass das Kind die möglichst beste Ausbildung bekommt, ganz so wie es bei Hülya der Fall gewesen ist.